Corona Trainingstagebuch – Episode 3

Lesefreuden zu Ostern

Als Erstes vorweg: Freunde des elektronischen Lesens können sich über die Ostern hinweg meinen Roman Trümmerteilchen (einfach den Link klicken) kostenlos herunterladen. Wenn es euch dadurch leichter fällt, mit dem Hintern zuhause zu bleiben, ist es das wert. Aber Vorsicht, weder die Sprache im Buch noch die Geschichte sind ganz stubenrein (ihr seid gewarnt).

Kurzzusammenfassung

Was ist sonst so passiert? Lange Schleife von Ruine zu Ruine, kurzer Abstecher in Bayern (mit illegaler (?) Rückkehr nach Hessen), ein klein wenig Dystopie, Gespräch mit meinem Hosentaschen Anarchisten und vollgepackte Tage

Rodenstein-Runde

Die Rodenstein-Runde ist mein Abschiedsritual. Traditionell ist sie der letzte Trail, den ich laufe bevor es aus der alten zurück in die neue Heimat geht. Obwohl es nicht der spektakulärste Weg im Odenwald ist, mag ihn doch sehr gerne – vor allem das Stück von der Burg Lindenfels zur Ruine Rodenstein. Von dort zurück nach Lindenfels zieht es sich dann allerdings etwas, weshalb ich die Variante über den Alemannen Weg laufe, das gibt zusätzliche Höhenmeter und gut 8 Kilometer mehr in die Beine. Über einen schmalen Steig führt der Weg fernab von Tageswanderern (denen ist es wohl zu steil) fort von der Ruine und hinauf zum Kaiserturm auf der Neunkircher Höhe. Wer sich gerne austoben will, dem sei diese Variante dringend empfohlen.

Die Ruine Rodenstein – immer einen Ausflug wert, aber bitte auf die Mindestabstände achten

Das war am 28. März, am Tag danach würde ich in Deutschlands Risikogebiet Nummer 1 aufbrechen – zurück nach Bayern.

Einmal Bayern …

Gut gestärkt nach einem leckeren, voll pflanzlichen Sonntagsmahl packe ich meine Taschen ins Auto und düse zurück nach Münsing, damit ich auf Abruf zur Lagerbereitschaft zur Verfügung stehe. Einerseits fühlt sich das seltsam an und es ist ungewiss, ob ich für Ostern wieder wie geplant nach Hessen kann. Eigentlich ist das nicht erlaubt und je länger ich in Bayern bleibe, mit je mehr Menschen ich (ungewollt) in Kontakt komme, desto unwahrscheinlicher ist das auch. Andererseits freue ich mich auch, meinen See wiederzusehen und den Bergen aus der Ferne zu winken. So gerne ich in die Berge fahren und dort laufen möchte, so sehr bin ich mir auch bewusst, dass sich die 1,5 m Abstand auf den schmalen Steigen nicht einhalten lassen. Der Kocheler Bürgermeister bittet die Menschen eindringlich, nicht in seine Stadt zu kommen, um sich in die Berge oder an den Kochelsee zu schlagen.

Die Autofahrt nach Münsing ist gespenstisch. Noch nie habe ich die Autobahn so verlassen gesehen. Eine dystopische Stimmung erfasst mich. Vielleicht schaue ich zu viele Filme, aber als ich beim Näherkommen die Raben von der Autobahn scheuche, komme ich mir vor, wie in einem postapokalyptischen Thriller. Und augenblicklich meldet sich mein kleiner Hosentaschen-Anarchist zu Worte.

Ich komme mir vor wie in 28 days later (genialer Film – müsst ihr unbedingt sehen)

Mein Hosentaschen-Anarchist

Beim Fahren über verlassene Autobahnen kann ich gar nicht anders, als in eine Endzeit-Stimmung zu kommen. Klingt düster, ist es aber nicht. Diese Stimmung zaubert mir immer ein Lächeln ins Gesicht – schuld daran ist mein kleiner Hosentaschen-Anarchist. Ja, ihm ist bewusst, dass die aktuelle Situation nicht zum Lachen ist und viel Leid hervorruft, dennoch reibt er sich die Hände und malt sich ein „Worst-Case-Szenario“ aus: Eine Welt nach dem Virus, eine Welt in der die Wirtschaft komplett kollabiert ist und die gesamte Gesellschaftsordnung zusammengebrochen ist. Wie es wohl wäre in so einer Welt zu leben?

Wie sich diese Stunde Null wohl anfühlen würde? Wenn es nicht mehr zählt, was du mal besessen hast, wenn es egal ist, welchen Jobtitel du trägst, wenn erlerntes Wissen nur noch dann etwas taugt, wenn es auch wirklich nützlich ist. Gesellschaftliche Regeln und Normen würden auf die Probe gestellt werden und nur noch dann weiter existieren, wenn sie tatsächlich von Nutzen sind. Plötzlich wären all die Menschen, die in der Lage sind, selbst Essen anzubauen, zu jagen, nützliche Dinge herzustellen und wissen, wie man mit der Natur lebt, die wichtigsten Teile der Gesellschaft. Welchen Nutzen hätten Typen mit schnieken Anzügen, die Aktienpakete hin und her schieben können?

Natürlich ist diese Vorstellung stark vereinfacht und soweit wird es mit ziemicher Sicherheit nicht kommen, aber dem kleinen Hosentaschen-Anarchisten ist das egal, er sehnt sich eine Zeit herbei, in der all unsere Komfortzonen eingerissen werden, und wir komplett neu definieren müssten, was es heißt Mensch zu sein. Würden wir es besser machen? Aus unseren Fehlern lernen? Würden wir uns für ein Leben entscheiden, dass wir mit Mutter Natur statt gegen sie fühen?

… und zurück

Kaum bin ich in Münsing angekommen, versuche ich mich wieder einzugewöhnen, aber zum Taschenauspacken bin ich noch zu faul. Letztlich gut, denn im Tagesverlauf werde ich nicht ins Lager abberufen, stattdessen erfahre ich, dass wir vor der Kurzarbeit unsere Überstunden wegmachen sollen. Auf einmal habe ich den Rest der Woche frei. Kurz entschlossen sitze ich im Auto und bin nach gerademal 24 Stunden im Risikogebiet wieder zurück im Odenwald – vorerst bis nach Ostern. War die ganze Aktion legal? Keine Ahnung, ehrlich nicht. Aber mir kann es ganz einfach sinnvoller vor. Hier im Odenwald kann ich meinen Eltern beim Einkaufen etc. helfen und sehe mich einem deutlich geringeren Infektionsrisiko gegenüber. Lindenfels hat erst einen bestätigten Fall und der wurde schon vor etlichen Tagen festgestellt. Münsing (in der Größe vergleichbar mit Lindenfels) hat bereits 23 Fälle. In Münsing lebe ich mit meinen Vermietern unter einem Dach, die beide zur Risikogruppe gehören, und meine Anwesenheit erhöht die Gefahr für sie.

Frühling im Odenwald

Nicht nur die Gefahrenlage ist in Bayern komplett unterschiedlich, sondern auch das Wetter. Von Sonntag auf Montag ist der Winter nochmal über Münsing hergefallen, in der Früh war alles weiß und noch als ich um 16 Uhr ins Auto springe, muss ich den Schnee von der Karre schaufeln. In Lindenfels hat es seit Ewigkeiten nicht mehr geregnet und mich begrüßt der Frühling. Das gute Wetter tut der Seele gut, aber nicht der Natur. Schon jetzt ist die Waldbrandgefahr wieder enorm angestiegen, bevor die Welt grün werden kann, werden viele Ecken schon braun. Nach zwei Jahren Dürre könnte die Region wirklich mal eine ausgedehnte Regenperiode vertragen. Überall stehen tote und kaputte Bäume herum – Corona ist real, aber der Klimawandel und das Waldsterben auch.

Rhythmus beibehalten

Wieder angekommen, nehme ich das Training gleich wieder auf. Ich versuche meine Wochen nach dem 2-1-2-1-Rhythmus zu gestalten (zwei kurze bis mittellange Läufe, ein langer Lauf -> siehe Trainingspläne und ich). Aktuell pendelt sich mein Wochenpensum auf 90 bis 100 Kilometer ein und ich versuche es demnächst auf 100+ Wochen anzuheben.

Nuff un nunner – flach gibt es im Odenwald nicht

Das faszinierende am Laufen im Odenwald: Es gibt keine wirklich hohen Berge, aber es gibt auch keine wirklich längeren Flachstücke. Selbst wenn ich eine entspannte Runde drehen will, stelle ich im Anschluss fest, dass ich doch wieder einige Höhenmeter in die Beine bekommen habe. Meine Runden sind durchweg sehr langsam, aber das Ego habe ich zum Glück schon kurz nach Weihnachten verloren. Außerdem trainiere ich ja schließlich nicht auf einen Sprint hin. Wichtiger ist Volumen, Konstanz und ein Tempo, bei dem ich mich nicht Überlaste – das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist eine Verletzung.

Und sonst so?

Kurzarbeit, oder doch nicht?

Nachdem ich alle Überstunden verbrannt habe, kam die Mitteilung, dass unsere Firma die Kurzarbeit um zwei Wochen nach hinten verschoben hat. Das ist eine gute Nachricht, denn es zeigt, dass wir wieder auf einem guten (zumindest besseren) Weg sind. Um ehrlich zu sein, hatte ich mich aber auch irgendwie auf die Kurzarbeit gefreut, die 32 Stunden Woche wäre mir ganz gelegen gekommen, um alles, was derzeit anfällt unter einen Hut zu bekommen. Den finanziellen Ausfall hätte ich verschmerzen können, zumal der gar nicht so hoch gewesen wäre.

Andererseits bin ich auch wirklich froh, dass die Auftragslage wieder deutlich zugenommen hat, denn das sorgt logischerweise für Arbeitsplatzsicherheit für meine lieben Kollegen und mich. Deshalb überwiegt auch das positive Gefühl über die verschobene Kurzarbeit. Mal schauen, ob sie bei uns überhaupt noch in Kraft tritt …

Neues Spielzeug

Eine gute Sache hatte meine kurze Visite in Münsing. Dort wartete ein Päckchen von Cascade Designs auf mich, der Inhalt: Die brandneue Neo Air Uberlite Isomatte von Therm-a-Rest. Ich darf das Teil fürs Bergzeit Magazin testen. Als großer Fan von ultraleichtem Equipment bin ich schon gespannt, wie sich diese gerademal 254 g schwere Matte draußen schlägt. Angesichtes der Ausgangsbeschränkungen fällt eine große Tour wohl aus, aber für die eine oder andere Übernachtung werde ich mich mit der Uberlite wohl aus dem Haus schleichen können.

Die Therm-a-Rest Neo Air Uberlite – ich freue ich schon auf den Test fürs Bergzeit Magazin

Heiß geworden

Dass der Winter sich verabschiedet hat und sich das Jahr auch nicht groß mit Frühling aufhält, zeigt aktuell das Thermometer. Tagein, tagaus kriecht das Quecksilber über 25° C, was sich beim Laufen durchaus bemerkbar macht. Gerade auf mittellangen Runden (15 bis 20 Kilometer) muss ich wohl bald wieder etwas Trinkbares mitnehmen, merke ich doch hintenheraus, dass ich mich schon ein Stück dehydriert fühle. Außerdem heißt es ab sofort nach dem Training: Nach Zecken absuchen. Eines dieser Mistbiester hat sich schon bei mir festgesaugt, also wachsam bleiben.

Toupierter Fatzke aus den USA widert mich an

Komplett Off-Topic (manchmal muss man auch etwas Dampf ablassen), jedes Mal, wenn sie derzeit diesen toupierten Fatzke aus den USA in den Nachrichten bringen, kommt mir das Kotzen. Alle sind schuld, niemand hat ihn gewarnt und die Nachrichten bringen nur Fake News. Wie schafft es ein Mensch mit so viel Realitätsverweigerung zu leben? Noch erstaunlicher, wie schafft es so ein Mensch, ein ganzes (nicht so bedeutsames Land) zu regieren? Regiert er es überhaupt noch? Irgendwie schon, auch wenn außer platten Versprechen, dem üblichen Alle-sind-schuld-außer-mir-Gerede und hektischem Aktionismus nicht viel passiert.

Tja, ein kritischer Blick in den Spiegel würde dem toupierten Prahlhans gut tun – aber würde es etwas bringen?

Den Virus kann man nicht per Twitter beleidigen und es bringt auch nichts, den Geheimdienst oder russische Hacker auf ihn anzusetzen. Dagegen seziert Corona die Wirtschaftslüge dieses rotgesichtigen Prahlhans und zeigt auf, wie tief die Schluchten zwischen Arm und Reich in seinem Land sind, wie mies sein Gesundheitssystem, wie wenig stabil seine Unternehmen und wie schlecht vorbereitet auf die wirklichen Gefahren es ist.

Apropos wirkliche Gefahren

Der Kronenzustand hat sich bei allen Baumarten weiter verschlechtert (…)Außerdem sind zwischen 2018 und 2019 überdurchschnittlich viele Bäume abgestorben. Zu diesem traurigen Ergebnis kommt die Waldzustandserhebung 2019 des BMEL. Durch Dürren und Schädlingsbefall (als Folge von zu warmen Wintern) geht es dem Deutschen Wald so schlecht wie nie zuvor. Das ist eine traurige Tatsache, zumal unser Wald ja in gewisser Weise ein Kulturgut ist, aber vielmehr ist er für uns ein Ort, an dem wir Ruhe finden, der unserer Seele gut tut und – vor allem – ist er elementar für unseren Erfolg oder Misserfolg im Klimakampf. Auch jetzt wird schon wieder flächendeckend vor Waldbränden in Deutschland gewarnt und wir sind gerade erst in der Mitte des Aprils angekommen.

Dem Wald geht es schlecht – mit verheerenden Folgen nicht nur fürs Klima

Bitte, bitte helft zu helfen. Ich will keine Bilder mehr von brennenden Wäldern bei uns, aber auch weltweit sehen. Ich kann einfach nicht dasitzen und beobachten, wie an sich gesunde Wälder gerodet werden, um Monokulturen anzubauen, damit Kühe ein Mastfutter bekommen, dass sie eigentlich gar nicht mögen. Und dennoch weiß ich jetzt schon, dass noch während wir über Corona reden und es einzudämmen versuchen, irgendwo auf der Welt der nächste Waldbrand uns erschütternde Bilder ins Wohnzimmer sendet.

Machen statt meckern – nur vom traurigen Kopfschütteln ändert sich nichts

Deswegen sammle ich mit dem WWF Spenden zur Rettung und zum Erhalt der Wälder und auch du kannst dich beteiligen:

Spendenaktion: Die Lunge brennt – NibelungenULTRA für den WWF

Ich weiß nicht, wie oft ich das jetzt schon geschrieben habe und wenn nur ein minimaler Bruchteil derer, die meine Spendenseite besuchen, fünf oder zehn Euro dalassen würden (ihr könnt das sogar von der Steuer absetzen verdammt), dann wären wir schon auf einem guten Weg!

Ach ja, Pandemien sind Menschensache

Bleiben wir doch beim WWF. In einem interessanten Artikel haben sie sehr schön zusammengefasst, wie die Zerstörung unserer Umwelt und das Voranschreiten von Pandemien Hand in Hand gehen. Ob Ebola (von Fledermäusen), HIV (von Affen) oder Corona (wahrscheinlich Schuppentiere), all diese Viren sind Zoonosen, das heißt sie stammen von Wildtieren und wurden auf den Menschen übertragen. Das Hauptproblem ist aber nicht, dass wir solche Tiere essen, sondern, dass wir ihnen ihre Lebensräume wegnehmen.

Wie uns der Artenschutz vor Krankheiten schützen kann

Viele Wildtiere haben einfach nicht mehr genug Platz zum Leben, die Ausbreitung des Menschen zerstört ihre Lebensräume und führt auch dazu, dass Menschen und Wildtiere dichter aneinander leben. Den Viren gehen durch aussterbende Tierarten einerseits ihre Wirte verloren, andererseits leben sie nahe genug am Menschen, um sich auf ihn einzugrooven. Sind die Viren genug mutiert, können sie schließlich auch auf uns übergehen und die Globalisierung übernimmt den Rest.

Wer immer noch denk, man könne Probleme einzeln betrachten und sie eins nach dem anderen lösen, der verkennt die komplexen Zusammenhänge von Mutter Natur.

Wenn der Klimawandel immer mehr Gebiete unlebbar gemacht und wir genug Lebensräume zerstört haben, erhöht sich übrigens auch die Anzahl an Flüchtlingen, die aus ihrer Heimat fortmüssen, nicht weil sie am Reichtum der Europäer teilhaben wollen, sondern weil wir aus ihrer Heimat ein totes Ödland gemacht haben.

Viel zu tun, wenig Zeit

Die Welt steht niemals still und ich auch nicht. Neben meiner Arbeit, meinem Training, dem Schreiben dieses Blogs und meinen bescheidenen Versuchen, die Welt zu retten, bleibt derzeit wenig Zeit für anderes. Und dabei habe ich auch noch so eine schöne Geschichte im Kopf, die ich gerne schreiben würde …

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